Piehnat
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Leben

Vom Distro-Hopper zum CMS-Hopper - 25 Jahre digitale Untreue

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Es gibt Menschen, die fahren seit 25 Jahren denselben VW Golf. Und dann gibt’s mich. Ich habe keinen Führerschein, kann einen Opel nicht von einem Kia unterscheiden, weil mir nichts egaler sein könnte, aber ich nutze seit 25 Jahren Linux und habe in dieser Zeit so ziemlich jede Distro mitgenommen, die nicht bei drei auf den Bäumen war. Ich blieb, ich ging, ich fluchte, ich schwor Treue, ich brach sie wieder. Heute sitze ich bei Ubuntu. Nicht, weil es perfekt ist, sondern weil es wie dieser Kumpel ist, der so langweilig wie ich ist, aber immer noch zuverlässig Bier mitbringt.

Die Beweise für meine wechselhafte Vergangenheit stehen sogar noch bei mir rum. In meiner Männerhöhle, hinten im Klappsofa, liegt ein Karton in dem sich massenhaft selbstgebrannte Linux CDs und DVDs der letzten Jahrzehnte sammeln. Manche seit 25 Jahren dabei. Da liegt auch noch eine alte Slackware-Version, die man damals auf gefühlt 50 Disketten jonglieren musste, bevor man überhaupt mal so etwas wie einen Desktop sah. Daneben eine Fedora, die sich weigerte, meine Grafikkarte auch nur anzuschauen. Und irgendwo dazwischen eine Gentoo-DVD, die mir 3 Nächte meines Lebens klaute, weil ich dachte, dieses Mal schaffe ich es, alles von Hand zu kompilieren. Spoiler, ich hab es geschafft, aber mein Verstand hat es beinah nicht überlebt. Warum ich diese ganzen Dinger noch aufbewahre, weiß ich gar nicht nicht. Vielleicht, weil sie mir jedes Mal beim Durchsehen zeigen, wie verrückt ich eigentlich war.

Heute nutze ich seit gut zwei Jahren Ubuntu mit Gnome. Eigentlich hätte ich schon längst eine dieser hippen neuen Gaming-Distros ausprobiert, die gerade durch die Blogs rauschen. Aber wir haben nur einen PC, den ich zwar zu 95% benutze, aber meine bessere Hälfte manchmal auch und sie mag Gnome. Sie könnte vermutlich mit einer anderen Distro leben, solange es nach Gnome aussieht, aber bisher bin ich zu faul, das auszutesten. Sie macht sonst alles, also wirklich alles mit ihrem iPhone. Banking, Arbeit, Shopping, Social Media... Davor hab ich irgendwie Respekt, weil ich das niemals könnte. Meine Augen und dieser winzige Bildschirm? No way, ich würde das Teil 100 mal am Tag verfluchen. Ich bin da retro und völlig anders als gefühlt jeder meiner Generation um mich herum. Kein Social Media, kein Dauer-Getippe. Mein iPhone ist am Ende nur ein ziemlich teurer MP3-Player und Empfänger der Signal-Nachrichten, die ich eh fast nie beantworte.

Und wie bei Linux so auch bei den CMS, Flat-File Dingern, Static-Page Generatoren usw.. Mein erstes Blogding war noch mit FrontPage. HTML konnte ich kaum, CSS war nur ein Gerücht, aber das Teil war meins, und ich war stolz wie Bolle, weil ich dort meine gesammelten Pokémon präsentierte. Irgendwann zog ich weiter zu Blogger, weil das irgendwie cooler und einfacher war. Aber auch da nervte bald irgendwas. Ich erinnere mich noch an dieses eine Mal, als ich so sauer war, weil mein komplettes Layout sich zerlegte, nur weil ich 1 Bild hochgeladen hatte. Danke erste Blogger Version, Grüße zurück ins Jahr 1999.

Dann kam lange Zeit WordPress. Ach ja, die große erste Liebe. Plugins, Themes, Community. Endlich ein CMS, das alles konnte. Blöd nur, irgendwann konnte es so viel, dass ich mich fragte, ob ich noch ein Blogsystem oder schon ein Raumschiff installiert hatte.

Minimalismus musste her. Bludit, Publii und HTMLy fühlten sich an wie digitales Zen. Kein Ballast, keine Datenbank, einfach schreiben und fertig. Nur dumm, dass ich nach einer Weile genau das vermisste, was ich vorher so verflucht hatte - Features, Komfort, Community. Also Rückfälle. Wieder WordPress, dann Bludit, dann WordPress, dann ClassicPress, weil ich dachte, endlich ein abgespecktes WordPress, ohne diesen Block-Editor-Wahnsinn. Kurzzeitig war das nett, bis es sich anfühlte, als sei ich der letzte Typ auf der Party, der nicht gemerkt hat, dass die Musik längst aus ist.

Heute also wieder HTMLy, schnell, schlank, kein Ballast. Aber ganz ehrlich, so richtig glücklich bin ich gerade auch nicht. Es sind diese kleinen Dinge, die sich summieren. Zum Beispiel muss ich zwingend Schlagworte vergeben, obwohl mir Kategorien völlig reichen würden. Oder dieses Chaos mit Entwürfen. Ich schreibe einen Post, speichere ihn als Entwurf, will ihn am nächsten Tag fertigstellen und plötzlich hängt er sowohl bei den Beiträgen als auch bei den Entwürfen. So hab ich schon mehrfach beim Aufräumen aus Versehen ganze Posts gelöscht, die dann nicht nur aus den Entwürfen verschwanden, sondern gleich komplett aus dem Blog. Einmal geklickt und zack, einfach futsch. Klar, ich könnte mich an so ein Chaos gewöhnen und mich umstellen. Aber ob ich das noch lange mitmache? Wir werden sehen.

Denn gleichzeitig schiele ich wieder rüber zu ClassicPress. Dort könnte ich zum Beispiel Beitragsformate nutzen, etwa für kurze Notizen, die bei HTMLy zwar auch möglich sind, aber nur in einer abgespeckten Variante, die nicht so funktioniert, wie ich mir das vorstelle. Und wenn ich ehrlich bin, die Aussicht, dass ClassicPress mir da mehr Flexibilität gibt, ist schon verlockend. Vielleicht lande ich also wieder dort, vielleicht bleibe ich bei HTMLy. Am Ende ist es eh wie bei meinen Linux-Distros, nie ganz zufrieden, immer schon mit einem Auge beim nächsten System.

So wie bei den Distros ist das Muster offensichtlich, ich bleibe nie wirklich lange. Mich nervt immer etwas, mir fehlt immer irgendwas, und doch liebe ich die Reise. Vielleicht ist das eigentliche Hobby nicht das Bloggen oder Linux, sondern das Hopping selbst. Und wenn ich in 25 Jahren auf diesen Post hier zurückblicke, denke ich wahrscheinlich ach du Scheiße, damals war ich noch naiv. Aber hey, wenigstens nicht bei Wix gelandet.

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