Piehnat
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Robotron 1715 - (K)ein Tropencomputer aus der DDR

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Ich bin in den letzten Tagen noch tiefer in das DDR-Technik-Rabbit-Hole gefallen, habe Bücher gewälzt, alte Dokumentationen gesichtet und bin dabei auf Geräte gestoßen, deren Geschichte weit über ihre technischen Daten hinausgeht. Der Robotron PC 1715 ist so ein Fall. Ein klobiger graubeiger Rechner, der in den 1980er-Jahren entwickelt wurde und in Behörden, Schulen und Betrieben der DDR zum wichtigsten Bürocomputer aufstieg.

Um ihn rankt sich jedoch eine hartnäckige Legende. Eine tropentaugliche Variante, die in Entwicklungsländern mit extremen Klimabedingungen eingesetzt worden sein soll. Was ist dran an dieser Geschichte? War der 1715 wirklich ein Pionier der DDR-Exportpolitik, der Hitze, Feuchtigkeit und Staub trotzen sollte, oder ist das nur ein Mythos, der sich um ein technisches Relikt der Planwirtschaft gebildet hat?


Die Entstehung des PC 1715 - Planwirtschaft und der Wille zum Nachbau

Die DDR der 1980er-Jahre war technologisch isoliert. Der Westen blockierte mit den CoCom-Exportkontrollen den Zugang zu moderner Mikroelektronik, sodass die DDR gezwungen war, westliche Technik nachzubauen oder eigene Lösungen zu entwickeln. In diesem Kontext entstand der Robotron PC 1715, produziert im VEB Büromaschinenwerk Sömmerda.

Sein Herzstück war der U880-Prozessor, ein in der DDR gefertigter Klon des westlichen Zilog Z80. Mit einer Taktfrequenz von 2,5 bis 4 Megahertz und 64 Kilobyte RAM (später 256 KB im Nachfolgemodell 1715W) war er kein Hochleistungsrechner, aber robust genug für den Einsatz in Ämtern, Fabriken und Schulen.

Der Robotron PC 1715 ist auf diesem Foto mit seinem typischen graubeigen Metallgehäuse, dem integrierten Grünmonitor (Kathodenstrahlröhre) und der abnehmbaren Tastatur mit Funktionstastenblock zu sehen, wobei vorne die beiden 5,25-Zoll-Diskettenlaufwerke und Bedienknöpfe für den Betrieb erkennbar sind. robotron 1715 - Gewicht ca 13 Kg

Für alle, die sich jetzt fragen, wie man sich das vorstellen soll, der PC 1715 funktionierte wie ein textbasierter Bürocomputer, der zwar wie eine Schreibmaschine Texte verarbeiten konnte, aber gleichzeitig auch Datenbanken, Tabellen oder einfache Programme ausführte. Statt eines Grafikbildschirms zeigte er nur Text in 64×16 oder 80×24 Zeichen Format auf einem grünen Monitor. Ähnlich wie die ersten westlichen PCs, nur ohne Spielereien. Als Massenspeicher dienten zwei 5,25-Zoll-Diskettenlaufwerke, und das Betriebssystem SCP, ein CP/M-Klon, ermöglichte die Nutzung von Programmen wie TP (einem WordStar-Nachbau) oder Redabas (einer Kopie von dBASE II). Durch Erweiterungskarten ließ sich der Rechner an spezielle Anforderungen anpassen, etwa für Drucker oder zusätzliche Speicherkapazitäten.

Zwischen 1985 und 1990 wurden rund 93.000 Einheiten produziert. Eine beachtliche Zahl für DDR-Verhältnisse. Mit einem Preis von 19.000 Mark der DDR war er für Privatpersonen unerschwinglich und wurde quasi ausschließlich an staatliche Betriebe, Behörden und Bildungseinrichtungen verkauft. Damit wurde er zum Rückgrat der DDR-Verwaltung, ein Gerät, das die tägliche Arbeit in Ämtern und Schulen ermöglichte.

Doch der PC 1715 blieb nicht nur in der DDR. Ein erheblicher Teil der Produktion, bis zu 50.000 Einheiten wurde in die Sowjetunion und andere RGW-Staaten exportiert. Der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) war das wirtschaftliche Bündnis der sozialistischen Länder, und die DDR nutzte diese Exporte, um Devisen zu beschaffen und politische Beziehungen zu stärken.

Hier beginnt die Geschichte des möglichen Tropencomputers. Denn die DDR lieferte nicht nur in den RGW-Raum, sondern auch in Entwicklungsländer in Afrika, Asien und Lateinamerika, allerdings meist ältere Technik wie Schreibmaschinen oder Großrechner. Der PC 1715 war primär für den RGW-Markt, doch die Idee, dass es eine tropentaugliche Variante gegeben haben könnte, ist verlockend. Man liest immer wieder, dass normale Computer in Ländern mit extremen Klimabedingungen schnell versagt hätten und es daher eine spezielle Tropenversion mit besseren Gehäusedichtungen, korrosionsbeständigen Materialien und Filter gegen Staub und Feuchtigkeit gegeben hätte.

Ich habe viele Tage in Foren, alten Aufzeichnungen und Büchern verbracht, aber keine Belege für eine serienmäßige Tropenversion des PC 1715 gefunden. Überliefert sind vor allem Geschichten darüber, wie diese DDR-Geräte besonders in Afrika und Vietnam über Jahrzehnte genutzt wurden. Unzuverlässige Stromversorgung, hohe Luftfeuchtigkeit und Staub führten zu Problemen wie ausgefallenen Netzteilen, korrodierten Kontakten, verschlissenen Tastaturen und blockierten Diskettenlaufwerken.

Trotz dieser Widrigkeiten setzten die lokalen Techniker die Geräte teils noch Jahrzehnte nach ihrer Produktion immer wieder und wieder instand. Sie dichteten Gehäuse ab, sorgten für Schutz vor Spannungsschwankungen und legten Ersatzteile zurück. Der PC 1715 war kein Wunderkind, aber robust genug, um mit ein wenig Improvisation zu überleben, bis die Ersatzteile ausgingen und er schließlich zum Museumsstück wurde. Vielleicht kommt der Mythos des Tropencomputers genau daher. Menschen sahen diese modifizierten Geräte in tropischen Ländern und dachten, sie wurden ab Werk so geliefert, obwohl es in Wirklichkeit Anpassungen vor Ort waren.


Was bleibt vom Mythos Tropencomputer?

Der PC 1715 war das Rückgrat der DDR-Verwaltung. Ein Arbeitsgerät, das in Ämtern, Schulen und Betrieben eingesetzt wurde. 93.000 Einheiten wurden produziert, der Großteil davon exportiert. Eine tropentaugliche Serienversion gab es nicht, doch die Idee ist zu schön, um sie nicht zu erzählen. Sie passt perfekt in die DDR-Erzählung von technischer Improvisation und politischer Propaganda. Die Geschichte zeigt, Technik ist oft nicht nur Technik. Manchmal ist sie auch ein Spiegel der politischen und wirtschaftlichen Umstände, unter denen sie entsteht. Der PC 1715 ist ein kleines, aber faszinierendes Beispiel dafür.

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