Piehnat
Piehnat
Veröffentlicht am
Bits

Hyperloop - PR, verbrannte Milliarden und jede Menge heiße Luft

Autor

Elon Musk und Hyperloop? Joa, der Mann, der sonst gerne Raketen in den Orbit jagt, E-Autos als Heilsbringer der Menschheit verkauft und gleichzeitig Autokraten hofiert, die lieber auf Ölförderung und Verbrenner setzen als auf grüne Mobilität, hat 2013 nichts weiter als ein 57-seitiges Whitepaper ins Netz gespuckt, ein Dokument, das weniger ein technisches Meisterwerk als vielmehr ein PR-Coup war. „Open-Source für alle!“ rief er, als hätte er gerade die Pläne für die Rettung der Welt veröffentlicht, dabei war sein Hyperloop nur die neueste Variante einer uralten, immer wieder gescheiterten Idee.

Denn bereits seit dem 19. Jahrhundert gab es Versuche, Menschen und Güter durch Röhren zu schießen, mit durchwachsenem Erfolg. Mitte des 19. Jahrhunderts baute der britische Ingenieur Isambard Kingdom Brunel die „Atmospheric Railway“ in England, ein pneumatisches Bahnsystem, das mit Unterdruck arbeitete. Ergebnis, nach wenigen Jahren gescheitert, weil die Technik unzuverlässig und die Wartung teuer war. 1870 präsentierte der US-Erfinder Alfred Ely Beach in New York seine „Beach Pneumatic Transit“, eine 100 Meter lange Röhrenbahn. Sie funktionierte als Kuriosität, scheiterte aber an Korruption und Geldmangel. In den 1970ern entwickelten US-Forscher um den Physiker Robert M. Salter den „Vactrain“, ein Hochgeschwindigkeitskonzept für Vakuumröhren. Problem, es blieb ein theoretisches Papier, weil niemand die Milliarden für die Umsetzung lockermachen wollte. Und dann war da noch Daryl Oster, der seit den 1990ern mit seinem ET3-Konzept (Evacuated Tube Transport Technologies) durch die Gegend zog. Eine Miniatur-Hyperloop-Vision, die nie über Prototypen hinauskam, aber immerhin ein paar Patente und Investoren anlockte.

Musk hat all diese gescheiterten oder vergessenen Ideen aufgenommen, in Hochglanz-Sci-Fi-Optik verpackt, „Hyperloop“ draufgeklebt, so getan, als hätte er die Transportrevolution neu erfunden und wurde von seinen Jüngern dafür beklatscht. Sein eigener, vielzitierter Testtunnel in Hawthorne, Kalifornien? 2023 abgerissen. Nicht, weil die Technik versagt hätte, sondern weil Musk das Gelände für andere Spielereien brauchte. Etwa, um noch mehr unterirdische Autotunnel für seine Boring Company zu graben, die ohnehin niemand wirklich will. Heute parken dort Autos. Ironie des Schicksals, der Mann, der die Welt mit Hyperloop elektrisieren wollte, hat am Ende nur neue Parkplätze geschaffen.

Doch während Musk sich längst anderen Hypes zugewandt hat, kämpfen anderswo noch immer Idealisten, Ingenieure und ein paar verirrte Investoren mit den technischen und politischen Realitäten dieses Projekts. Denn eines ist klar, Hyperloop ist kein mach mal-Projekt, sondern ein monumentales Infrastrukturvorhaben, das selbst den Berliner Flughafen wie ein Kinderspiel aussehen lässt.

Virgin Hyperloop - Wie man ein Unternehmen kontrolliert in den Boden fährt


Virgin Hyperloop, einst das Aushängeschild der Branche, war das einzige Projekt, das halbwegs so aussah, als könnte es mal etwas werden. Mit Teststrecken in der Wüste Nevadas, Partnerschaften mit DP World für einen Fracht-Hyperloop in Dubai und einer Handvoll Investoren, die tatsächlich Geld in die Hand nahmen, schien hier etwas Greifbares zu entstehen. Doch 2023 war dann doch Schluss, ohne Insolvenz, aber mit einem Knall.

Der Gerichtsvollzieher klopfte zwar nicht an Richard Bransons Tür, aber das Unternehmen feuerte 90% seiner Mitarbeiter, stoppte alle Passagierprojekte und konzentrierte sich theoretisch auf Fracht-Hyperloops für Häfen. Praktisch bedeutet das Game Over. Die Teststrecke in Nevada? Verlassen. Die Partnerschaft mit DP World? Auf Eis. Die großen Träume von Passagierkapseln, die mit 1.000 km/h durch die Wüste rasen? Erledigt. Die verbliebenen 20 Mitarbeiter verwalten nur noch die Reste eines Traums und selbst der Fracht-Hyperloop ist ohne neue Investoren nicht mehr als ein Wunschbild auf dem Papier.

Europa - Kleine Röhren, große Träume und jede Menge Bahnhofsromantik


Während die USA das Thema Hyperloop langsam aber sicher abhaken, wird in Europa weiter getüftelt, wenn auch auf Miniatur-Niveau. In den Niederlanden etwa testet Hardt Hyperloop seit Jahren an einer 420-Meter-Röhre, in der sie vor allem Spurwechsel üben. Klingt unspektakulär, ist aber entscheidend, wenn Hyperloop jemals ein Netzwerk werden soll und nicht nur eine einzelne Strecke zwischen zwei Punkten. Aktuell erreichen sie dabei gerade mal 100 km/h, also in etwa die Geschwindigkeit, mit der eine Regionalbahn unterwegs ist.

Doch Hardt träumt groß. Bis 2030 wollen sie eine europäische Teststrecke mit 1.000+ km/h. **Realistisch? Eher nicht. Selbst ihre eigenen Roadmaps sind voller „wenn-dann“-Klauseln und ohne massive staatliche Förderung(die niemand geben will) bleibt das ein frommer Wunsch. Fakt ist, Europa hat kein einheitliches Hyperloop-Programm. Jedes Land macht sein eigenes Ding oder, wie in den meisten Fällen, gar nichts.

Und dann ist da noch die TU München, die mit ihrem WARR Hyperloop-Team jahrelang bei den SpaceX-Wettbewerben Rekorde brach. 2019 erreichten sie 463 km/h und dann war Schluss. SpaceX stellte den Wettbewerb ein, und seitdem forscht die TU im Stillen weiter. Ohne Hype, ohne Musk, ohne klare Perspektive. Ein weiteres Beispiel dafür, wie schnell der Hyperloop-Traum zur akademischen Spielwiese verkommt.

China - 1.000 km/h aber bitte ohne Passagiere (und ohne konkrete Pläne)


Wenn es um technische Machbarkeitsstudien geht, ist China natürlich vorne mit dabei. 2022 jagten Forscher der Tongji Universität einen unbemannten Pod durch eine 2-Kilometer-Röhre und erreichten dabei über 1.000 km/h. Klingt beeindruckend? Ist es auch. Ist es praxistauglich? Mitnichten.

Denn was China hier vorführte, war weniger ein Transportmittel als vielmehr ein Beweis, dass man sehr schnelle Dinge in Röhren schießen kann. Passagiere? Fehlanzeige. Sicherheitssysteme? Noch in den Kinderschuhen. Wirtschaftliches Konzept? Nicht existent.

Und die oft kolportierte Strecke Shanghai-Hangzhou (200 km, theoretisch 20 Minuten Fahrzeit)? Reine Spekulation. Es gibt keine offiziellen Baupläne, keine Finanzierung, keine politische Entscheidung. Selbst die Chinesen, die sonst keine Kosten und Mühen scheuen, wenn es um Prestigeprojekte geht, zögern. Warum? Weil selbst sie wissen, dass ein funktionierendes Hyperloop-Netz noch Jahrzehnte entfernt ist und bis dahin fahren die Leute lieber mit dem bewährten Hochgeschwindigkeitszug.

Indien - Güter statt Menschen, weil sich Container nicht beschweren


Während der Rest der Welt noch darüber streitet, ob Hyperloop jemals Passagiere befördern wird, hat Indien längst eine pragmatischere Lösung gefunden. Fracht. Warum? Ganz einfach, Gütercontainer beschweren sich nicht, wenn die Fahrt holprig wird. Sie verlangen keine Notfall-Evakuierungspläne und sie haben keine Angst, in einer luftleeren Röhre bei 1.000 km/h durch die Gegend zu rasen.

Geplant war etwa eine 150 Kilometer Strecke zwischen Mumbai und Pune, die in 25 Minuten zurückgelegt werden sollte. Partner war Virgin Hyperloop, die aber wie wir ja wissen, den Stecker zogen. Seitdem Stille. Keine Investoren, keine Bauarbeiten, keine Fortschritte. Bleibt die Idee, Güter per Hyperloop durchs Land zu schießen, aber selbst dafür fehlt das Geld.

Deutschland Hamburg-Kiel in 15 Minuten? Ja, klar und ich bin der Weihnachtsmann


Und dann ist da noch Deutschland, wo man seit Jahren mit der Idee spielt, Hamburg und Kiel per Hyperloop zu verbinden. Theoretisch eine geniale Idee. Statt 90 Minuten mit dem Auto, wäre man während der Vertilgung eines Fischbrötchens am Ziel. Praktisch ein Albtraum. 2021 gab es eine Machbarkeitsstudie der Hamburger Hafen und Logistik AG. Ergebnis, theoretisch möglich(vorrausgesetzt die Technik funktioniert), aber 10 Milliarden Euro für 100 km, die Elbe müsste untertunnelt werden und von politischem Willen, Planungen, Bauanträgen und Genehmigungen fange ich besser erst gar nicht an.

Die technischen Hürden: Warum Hyperloop (noch) eine Illusion ist


Butter bei die Fische, ein Hyperloop ist kein Zug, den man einfach auf Schienen legt. Es ist ein komplett neues Transportsystem, das völlig neue Infrastruktur braucht und massive Probleme aufwirft.

Vakuumtechnik: Ein Hyperloop-Tunnel muss nahezu luftleer sein, um den Luftwiderstand zu minimieren. Doch wie hält man Hunderte Kilometer Röhre unter konstantem Vakuum? Aktuell gibt es keine kostengünstige Lösung und selbst kleine Lecks würden das System direkt lahmlegen.

Schwebetechnik: Nicht alle Hyperloops setzen auf Maglev (Magnetschwebebahn). Manche testen passive Magnetfelder (Inductrack), Luftkissen oder sogar Räder, aber keine dieser Alternativen hat bisher bewiesen, dass sie bei 1.000 km/h stabil funktioniert.

Sicherheit: Was passiert, wenn ein Pod in einer luftleeren Röhre einen Notfall hat? Wie evakuiert man Passagiere? Keine dieser Fragen ist bisher beantwortet.

Regulatorik: Es gibt keine internationalen Standards für Hyperloop. Weder für Sicherheit, noch für Betrieb, noch für Zulassung.

Kosten: Pro Kilometer werden 50-100 Millionen Euro veranschlagt. Zum Vergleich, eine ICE-Neubaustrecke kostet etwa 40 Millionen pro Kilometer. Hyperloop ist wesentlich teurer als die Bahn. Und die hat schon genug Probleme, sich zu rechnen.

Am Ende bleibt die ernüchternde Erkenntnis, Elon Musk hat mit seinem Whitepaper einen sehr alten Hype neu ausgelöst, der die Welt in Atem hielt und sich dann diskret verabschiedet, typisch Musk. Doch während er längst neue Träume (Mars, Gehirnchips, KI) verkündet, kämpfen andere noch immer mit der Vision.

Weltweit tüfteln Unis und Startups weiter, aber wir reden hier von Miniaturteststrecken und viel Theorie. Ein funktionierender Passagier-Hyperloop ist heute genauso nah wie der BER im Jahr 2006. Technisch vielleicht irgendwann möglich, politisch ein Albtraum und realistisch noch extrem weit weg.

Und selbst wenn es irgendwann soweit sein sollte, wird Hyperloop dann wirklich besser sein als der Hochgeschwindigkeitszug? China und Japan zeigen, dass man mit klassischer Bahntechnik heute schon enorme Geschwindigkeiten erreicht und das zu einem Bruchteil der Kosten eines Hyperloops.

Vielleicht ist Hyperloop am Ende einfach nur das perfekte Projekt für eine Welt, die lieber von der Zukunft träumt, als die Gegenwart zu reparieren. Ein teures Versprechen, das uns ablenkt, während die echten Probleme (marode Schienen, überlastete Autobahnen, Klimaziele) weiter vor sich hinrotten.

Hier gibt es keinen Kommentarbereich. Wenn du Fragen oder Anmerkungen zu diesem Post hast, schreib mir gern ne Mail oder blogge selbst dazu. Peace.