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Thunderbird wird wolkig
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Cloud hier, Cloud da… und wenn’s nicht „as a Service“ ist, wird’s offenbar gar nicht mehr ernst genommen. In der Geschäftswelt hat sich die Wolke längst durchgesetzt. Microsoft 365, Google Workspace und Konsorten regeln heute die Mails, den Kalender und Dateien. Lokale Programme wie Thunderbird wirken da fast wie digitale Relikte aus der Steinzeit oder wie das Faxgerät, nur mit weniger Papier. Aber tot ist Thunderbird noch lange nicht. Im Gegenteil.
Im hauseigenen Blog gibt Mozilla unumwunden zu, dass Thunderbird täglich Nutzer verliert. Nicht, weil der Client schlecht wäre, sondern weil integrierte Komplettlösungen wie Outlook plus Kalender plus Kontakte plus Cloudspeicher für viele Menschen bequemer sind. Auf diesen Wandel will man nun mit einem Paket neuer Dienste reagieren, die zwar cloudbasiert sind, sich aber trotzdem an Datenschutz, Offenheit und Nutzersouveränität orientieren.
Mit Thundermail, einem cloudbasierten Maildienst, Thunderbird Appointment, einem Kalender und dem neuen Thunderbird Send, soll ein Ökosystem entstehen, das sich gezielt von den Monolithen der Branche absetzt.
Die Grundidee dahinter: Wer will, kann, muss aber nicht. Alle Tools funktionieren eigenständig, lassen sich aber auch mit einer lokalen Thunderbird-Installation nutzen. So soll Thundermail(Waitlist ist offen) beispielsweise nicht nur im Browser laufen, sondern sich auch nahtlos mit dem Desktop-Client verbinden. Also keine Abkehr vom klassischen Thunderbird, sondern eine Erweiterung.
Doch wie immer steckt der Teufel im Detail und der Nutzen hängt stark davon ab, was man wirklich braucht. Wer oft unterwegs ist, auf mehreren Geräten arbeitet oder schlicht keinen Bock hat, sich Kalender-URLs in CalDAV-Konfigs einzutragen, wird sich vielleicht über Thunderbird Appointment freuen. Der neue Dienst soll nicht nur Termine verwalten, sondern auch Verfügbarkeiten teilen und Termine per Link mit anderen koordinieren können und sowohl in der Cloud als auch selbst gehostet nutzbar sein. Ein nettes Alleinstellungsmerkmal in einer Zeit, in der andere Anbieter oft nur die Cloudvariante mit Vollüberwachung anbieten.
Mit Thunderbird Send wird eine Neuauflage des eingestellten Firefox Send realisiert. Ein Ende-zu-Ende-verschlüsselter Filesharing-Dienst, 2020 eingestampft, nachdem bekannt wurde, dass er zum Versand von Schadprogrammen und bei Phishing-Attacken verwendet wurde. Die Anwendung befindet sich zwar noch in der Alphaphase, kann aber schon mit einem Mozilla-Konto getestet werden.
Und weil wohl auch Mozilla der Meinung ist, dass heute nichts mehr ohne die Buchstaben K und I geht, kommt Thunderbird Assist ins Spiel. Eine künstliche Intelligenz, die lokal auf deinem Rechner läuft, sofern die Hardware es erlaubt.
Trotz dieser Entwicklungen bleibt Cloud nicht automatisch die bessere Lösung und Mozilla ist klug genug, das zu erkennen. Der neue Weg ist kein radikaler Umbruch, sondern ein vorsichtiges „Sowohl-als-auch“. Wer alles in der Cloud will, bekommt es. Wer seine Daten lieber unter Kontrolle hält, bleibt lokal. Die Dienste können parallel genutzt werden, ohne dass der Nutzer sich komplett entscheiden muss. Das ist angenehm, denn nicht jeder will oder sollte seine gesamte digitale Existenz in eine entfernte Serverfarm kippen, auch wenn es bequem ist.