Piehnat
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EU-Lobbyrekord gefährdet Europas Kampf gegen Big Tech

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Die EU-Lobbyausgaben der Digitalindustrie haben mit 151 Millionen Euro einen neuen Rekord erreicht. Ein Anstieg von satten 55 % seit 2021. Das sind nicht einfach ein paar Telefonate und Kaffeetreffen, das ist systematisches Vormarschieren. Während mancher noch immer denkt, Brüssel sei ein Ort für sachliche Parlamentsarbeit, hat die Digitalbranche inzwischen mehr Vollzeit-Lobbyisten stationiert als das Europäische Parlament Abgeordnete zählt. 890 Leute, die im Auftrag von Konzernen durch die Gänge fegen, und 437 davon besitzen einen offiziellen Lobbyausweis. Freie Fahrt zu allen Entscheidungsträgern inklusive.

Von diesem riesigen Kuchen steuern allein die Top 10 Digitalkonzerne(Meta, Microsoft, Google, Amazon...) 48 Millionen Euro bei, fast ein Drittel des gesamten Lobbybudgets. Das ist nicht nur ein Haufen Kohle, es ist die konzentrierte Macht von wenigen Unternehmen, die jeden Tag dutzende Treffen mit EU-Kommissionsmitgliedern und Abgeordneten abhalten. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres fanden 378 Treffen statt, im Schnitt mehr als ein Treffen pro Arbeitstag mit der Kommission und fast zwei mit Abgeordneten. Darunter 58 Treffen allein zum Thema Künstliche Intelligenz. Die Digitalindustrie entscheidet also nicht nur über Apps und Cloud-Infrastruktur, sondern drückt ihre Interessen auch direkt in Gesetze, Richtlinien und Debatten.

Und weil Geld dort allein nicht reicht, fließt es zusätzlich in Beratungsfirmen, PR-Agenturen und Thinktanks, die die Narrative der Konzerne verbreiten sollen. Was aussieht wie unabhängige Forschung oder Beratung, ist in Wahrheit ein Netzwerk zur Verstärkung von Lobbybotschaften. Wer denkt, NGOs oder Verbraucherschützer könnten da locker mithalten, unterschätzt die Dimension. Die Digitalbranche spielt in einer Liga, in der niemand mithalten kann.

Wenn du das alles zusammenzählst, merkst du, dass jahrelange Fortschritte bei Datenschutz, fairen Plattformregeln und Wettbewerb auf der Kippe stehen. Die EU hat hart erkämpfte Regeln aufgestellt, vom Digital Markets Act über den Digital Services Act bis hin zum AI Act. Aber diese Regeln existieren nur auf dem Papier, solange sie nicht durchgesetzt werden. Big Tech hat die Mittel, die Aufmerksamkeit und die Netzwerke, um jede kritische Initiative zu verzögern oder zu verwässern.

Die Konsequenz? Die Kommission muss jetzt die Ärmel hochkrempeln. Es reicht nicht, freundlich zu nicken, wenn Lobbyisten hereinschneien. Es geht um digitale Souveränität, um Unabhängigkeit und darum, dass wir die Kontrolle über unsere Daten und unsere digitale Infrastruktur behalten oder überhaupt erstmal wiederbekommen. Open Source, Datenschutz und fairer Wettbewerb sind keine Luxusideen, sie sind das Minimum, das wir gegen diese geballte Macht verteidigen müssen. Wer jetzt kneift, lädt Big Tech ein, weiter zu tun, was sie am besten können: Gesetze zu ihrem Vorteil umbiegen.

Also ja, die Zahlen klingen abstrakt: 151 Millionen Euro, 890 Lobbyisten, 48 Millionen Euro allein von den Top 10. Aber hinter diesen Zahlen steckt nichts anderes als der Versuch, die digitale Welt nach den Regeln weniger Konzerne zu formen. Und es wird verdammt nochmal Zeit, dem etwas entgegenzusetzen.

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