Piehnat
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Webmentions - Zurück in die Blog-Zukunft

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Seitdem ich nicht mehr diesen trägen WordPress-Koloss benutze, sondern mit HTMLy endlich so bloggen kann, wie ich will, ohne Datenbank, ohne Plugin-Massaker, ohne aufgeblähte Admin-Oberfläche.. hab ich direkt mit dem nächsten Relikt der Blogsteinzeit Schluss gemacht, den Kommentaren. Nein, hier kannst du nicht mehr direkt drunter schreiben, ob du’s super fandest oder totalen Quatsch. Was ich viel schöner finde, wenn andere Blogger einfach selbst auf einen Beitrag reagieren, in ihrem eigenen Blog. So wie früher. Vernetzung nicht per Kommentar, sondern per Link. Keine Likes, sondern Antworten. Keine Plattform, sondern Verbindung.

Das stärkt nicht nur die Sichtbarkeit, sondern auch die Vernetzung unter dieser aussterbenden Spezies namens Blogger. Und genau deshalb habe ich gerade Webmentions eingebaut. Das ist kein fancy neues Social-Media-Gadget, sondern ein ernstzunehmender Standard, der wieder Leben in das bringt, was Blogs ursprünglich einmal waren, ein Netz aus Gedanken, das sich gegenseitig referenziert. Dezentral, unabhängig, robust.

Die Goldmedaille für die 1. eintrudelnde Webmention geht an dich Robert. Aber besteh bitte nicht auf Aushändigung, ich bin broke as fuck..;-)

Und ja, wer jetzt denkt „Moment, macht WordPress das nicht auch irgendwie mit diesen komischen Trackbacks und Pingbacks?“ hat nicht ganz Unrecht. Webmention kann theoretisch sogar solche Pingbacks empfangen, denn das ist eben eine dieser uralten Technologien, die WordPress bis heute mitschleppt. Wenn jemand von seinem WordPress-Blog aus auf meinen Blog verlinkt und Pingbacks aktiviert hat, kann ich diesen „Ping“ mit ein paar technischen Klimmzügen sogar als Webmention interpretieren. Aber ehrlich? Ich hab das bewusst nicht umgesetzt. Alte Zöpfe müssen auch mal ab.

Pingbacks waren schon zu ihrer Blütezeit ein Sicherheitsrisiko und sind heute vor allem eins, kaputt. Sie basieren auf XML-RPC, was ungefähr so modern ist wie ein Faxgerät, lassen sich leicht für Spam missbrauchen und wurden auch gerne mal für DDoS-Angriffe verwendet. Viele Server blockieren das inzwischen standardmäßig und das ist auch gut so. Warum sollte ich mir freiwillig ein verstaubtes Protokoll ins Blog holen, nur damit noch ein paar WordPress-Geisterblogs ihren loswerden können? Klar, das gefällt nicht jedem, aber ich sehe nicht ein, mir absichtlich Sicherheitsrisiken in meinen Blog zu ballern, nur weil andere nichts ändern wollen.

Wer WordPress nutzt, kann sich ja einfach das Webmention-Plugin installieren. Da ist’s dann auch egal, ob noch ein Plugin mehr rumfliegt. In dem Wirrwarr aus Funktionen, Shortcodes und Plugin-Flut fällt ein weiteres Tool auch nicht mehr auf. Aber ich hab mich bewusst für einen anderen Weg entschieden.

Früher war alles besser, sagt man, zumindest, wenn man sich gerne mit Spam, XML-RPC und DDoS-Angriffen herumschlägt. Die Geschichte der Linkbenachrichtigungen im Web begann mit einer an sich sympathischen Idee. Wenn du jemanden auf deinem Blog verlinkst, warum sollte der oder diejenige nicht automatisch davon erfahren? So entstanden Trackbacks, später Pingbacks, und schließlich, nach einer sehr langen Leidensphase Webmentions. Klingt nach technischem Nischenkram? Ja. Aber es geht um nicht weniger als die Frage, wie das offene Web miteinander redet. Und das ist ziemlich grundlegend, vor allem, wenn du dir dein kleines digitales Zuhause baust.

Die erste Variante dieser Link-Kommunikation hieß Trackback. Erfunden wurde das Ding 2002 von Six Apart für ihre Blogging-Software Movable Type. Die Idee war simpel. Wenn du auf einen anderen Blogartikel verlinkst, kannst du dem Autor einen kleinen Hinweis schicken. Der Clou, man konnte gleich ein paar Sätze Vorschautext mitliefern. Dummerweise war das System so offen wie ein Scheunentor. Spamversender fanden es ganz wunderbar, ihre Casino-Links oder obskuren Viagra-Blogs massenhaft in die Kommentarspalten zu katapultieren. Das Web stöhnte, und Trackbacks wurden zur Geißel des Blogzeitalters.

Die Antwort darauf kam in Form von Pingbacks. Ebenfalls 2002 eingeführt, diesmal mit etwas mehr Sicherheitsverstand. Anstatt einfach nur einen Link zu schicken, wurde jetzt automatisch überprüft, ob der angeblich gesetzte Link überhaupt existierte. Eine rudimentäre, aber effektive Form der Verifikation. Dafür wurde XML-RPC eingesetzt, ein Protokoll, das zu der Zeit noch als modern galt, aber schon bald zum Problem wurde. XML-RPC war träge, schwer zu debuggen und wurde bald selbst zum Einfallstor für Spam und DDoS-Angriffe. Du erinnerst dich an WordPress und seine XML-RPC-Schnittstelle? Genau, das war eine Sicherheitslücke mit Ansage. Viele Hoster haben sie irgendwann einfach deaktiviert. Tja, das war’s dann auch mit Pingbacks, zumindest mit ihrer ursprünglichen Idee.

Und währenddessen? Lange passierte nichts wirklich neues. Klar, Pingbacks lebten in WordPress irgendwie weiter, als halbherzig gepflegtes Relikt in der Kommentarspalte, oft deaktiviert, häufig ignoriert. Manche Blogs zeigten sie noch an, wenn man Glück hatte, aber von echter Interaktion oder sinnvoller Verlinkung war da selten etwas zu spüren. Die große Idee eines vernetzten Webs, in dem sich Blogger automatisch entdecken, kommentieren und miteinander reden, verkümmerte langsam. Wer noch irgendwas mitbekommen wollte, was andere über die eigene Seite schrieben, war auf Google Alerts, händisches Suchen oder reines Glück angewiesen. In einer Welt, die sich angeblich ständig vernetzt, war Link-Kommunikation so tot wie mein Hunger auf Fleisch.

Doch dann kam das IndieWeb. Eine Bewegung von Web-Nerds, die sich nicht damit abfinden wollten, dass Kommunikation im Netz nur noch über zentralisierte Plattformen wie Facebook, Twitter oder Medium läuft. Sie wollten wieder ein dezentrales Netz, in dem jede Website sprechen und hören kann, ohne Mittelsmänner. Aus dieser Idee entstand Webmention, ein Webstandard, der 2017 offiziell vom W3C verabschiedet wurde.

Und der funktioniert endlich so, wie man es sich immer gewünscht hätte. Wenn du eine andere Seite verlinkst, sendet dein Server eine ganz einfache HTTP-Anfrage an den sogenannten Webmention-Endpunkt der Zielseite. Dieser prüft dann, ob du wirklich verlinkt hast, keine XML-RPC-Spielchen, kein schwerfälliger Ballast, nur eine klare, prüfbare Nachricht. Funktioniert wunderbar, lässt sich einfach implementieren und ist sicherer als alles, was davor kam.

Der größte Vorteil, Webmention ist nicht nur dafür da, dass jemand mitbekommt, dass du ihn verlinkt hast. Es erlaubt auch Likes, Reaktionen, Kommentare, alles dezentral, von Website zu Website. Du brauchst keine Kommentarplugins, keine externe Disqus-Hölle, sondern nur ein bisschen Code und ein bisschen Wille zur Eigenverantwortung.

Webmention ist der Standard, der Pingback gerne gewesen wäre, schnell, schlank, transparent und anpassbar. Du kannst sogar mitteilen, wenn du einen Beitrag bearbeitet oder gelöscht hast. Für das offene Web ist das eine kleine Revolution, auch wenn sie bisher eher leise verläuft. Große Plattformen interessieren sich nicht dafür, aber das IndieWeb, viele statische Seiten, moderne Blogging-Systeme und sogar WordPress (mit Plugin) können’s inzwischen.

Trotzdem, Webmention fristet noch immer ein Nischendasein. Kaum jemand kennt es, viele Blogs verzichten ganz auf jegliche Link-Kommunikation, andere hängen noch am kaputten Pingback fest. Und ehrlich gesagt, der Übergang ist nicht schwer, man muss es halt nur wollen. Wer mag, kann beides parallel nutzen, Webmention als moderne Lösung, Pingback als Fallback für alte Systeme. Aber du wirst schnell merken, welche Methode dich nicht mit Spam, Bugs oder veralteten Standards nervt.

Also ja, Pingbacks sind tot. Vielleicht nicht vollständig, aber klinisch. Was übrig bleibt, ist ein maroder, vernachlässigter Anhang einer Web-Ära, die ohnehin bald niemand mehr versteht. Wenn du heute noch bloggst oder dein eigenes kleines digitales Revier aufbaust, dann schau dir Webmention an. Es ist das, was Link-Kommunikation im Web immer hätte sein sollen, offen, ehrlich, dezentral und endlich technisch sauber umgesetzt.

Ach, und bevor du jetzt denkst „Klingt ja alles schön, aber wie soll ich das technisch umsetzen?“, keine Sorge, das ist keine Raketenwissenschaft. Webmention lässt sich mit einem simplen Link-Tag im deiner Seite aktivieren. Damit teilst du der Welt oder zumindest anderen Blogs und Webmention-Diensten mit, wo sie ihre Benachrichtigung hinschicken sollen. Das sieht dann so aus:

<link rel="webmention" href="https://example.com/webmention-endpoint">

Das ist dein offizielles „Hier, da kommt was“-Schild. Optional kannst du für maximale Kompatibilität auch noch einen zweiten Link einbauen, z. B.:

<link rel="http://webmention.org/" href="https://example.com/webmention-endpoint">

Oder, wenn du ganz altmodisch sein willst und noch Pingbacks abfangen möchtest (was ich aus guten Gründen nicht tue):

<link rel="pingback" href="https://example.com/xmlrpc.php">

Aber ehrlich, der erste reicht völlig. Und jetzt zur großen Frage: Was passiert, wenn dir jemand so eine Webmention schickt?

Da gibt’s mehrere Wege. Die einfachste Lösung, du nutzt Webmention.io. Das übernimmt das komplette Handling. Für viele ist das der schnellste Weg zum Ziel. DSGVO-konform ist das auch, solange du nichts live im Browser lädst oder mit Tracking-Quatsch verkuppelst, sondern die Daten serverseitig oder beim Seitenbau einfügst.

Wenn du mehr Kontrolle willst, kannst du dir auch selbst einen Empfangs-Endpoint bauen. Klingt wild, ist aber gar nicht so schlimm. Mit ein bisschen PHP, Python oder Node.js kannst du Webmentions selbst empfangen, prüfen und lokal speichern. Es gibt dafür fertige Tools wie telegraph oder du schreibst dein eigenes Mini-Skript. Das Ganze läuft dann komplett auf deinem Server – datensparsam und unabhängig.

Und wenn du mit einem statischen Seitengenerator wie Jekyll, Hugo oder Eleventy arbeitest, kannst du auch beim Bauen deiner Seite die Webmentions direkt von Webmention.io abrufen und sie automatisch in den Beitrag einbauen lassen. Dafür gibt’s kleine Skripte, nichts dramatisches, aber eben ein bisschen Bastelei.

WordPress? Klar, geht wie gesagt auch. Mit dem Plugin Webmention von Matthias Pfefferle ist das eine Sache von Minuten und wer gleich die volle IndieWeb-Dröhnung will, installiert das ganze Plugin-Paket samt Microformats, Semantic Linkbacks und IndieAuth.

Bei meinem HTMLy Blog hier, war die Einbindung während der Einatmung 1 Tasse Kaffee erledigt. Kein JavaScript-Zirkus, kein fremder Kommentarserver, kein Tracking. Einfach nur: Du hast mich erwähnt und ich zeig’s an. So muss das sein.

Wenn du wirklich willst, dass dein Blog nicht nur sendet, sondern auch hört, dann ist Webmention der Weg. Nicht morgen, nicht irgendwann, sondern jetzt.

Hier gibt es keinen Kommentarbereich. Wenn du Fragen oder Anmerkungen zu diesem Post hast, schreib mir gern ne Mail oder blogge selbst dazu. Peace.