Piehnat

28 Nov, 2025

Was mir 10 Euro bedeuten können

Es ist Ende November. Überall wird der Weihnachtsmodus aktiviert, die Leute drehen am Rad und kaufen ein, als würde Jeff Bezos persönlich mit der Peitsche hinter ihnen stehen. Einkaufswagen voll, Paketdienste am Limit, Konsumrausch wie jedes Jahr aufs Neue. Nur bei mir bleibt der Funke wie immer aus.

Ich kann mit Weihnachten nichts anfangen, ich verbinde damit nicht eine positive Erinnerung. Und mit Geburtstagen schon gar nicht. Warum sollte ich den Tag feiern, an dem mich zwei Menschen in die Welt gesetzt haben, die bis zu meinem Abhauen mit 13 nichts außer körperlicher Gewalt für mich übrig hatten? Ja, super Anlass zum Anstoßen, oder? Aber jo, wer’s feiern will, bitte gerne, von Herzen. Ich gönn’s jedem, der aus solchen Tagen Freude ziehen kann.

Nur… jetzt ist halt wieder Weihnachten. Und ich sitze hier und überlege, was ich meiner besseren Hälfte schenken kann. Nicht, dass ich Geld hätte. Wer mich kennt, weiß, dass ich jede Datenkrake meide. Und trotzdem mache ich eine Ausnahme. Eine verdammt peinliche sogar. Ich öffne jeden Morgen fünf Minuten die Microsoft-Bing-App.

Ja. Ich weiß. Ich schäme mich auch.

Nur für diese bescheuerten Rewards-Punkte. 10 Punkte hier, 3 Punkte dort, und noch ein bisschen Bullshit-Swipe für 5 Punkte extra. Alles nur, um irgendwann einen 5-Euro-Amazon-Gutschein für 7500 Punkte einzulösen. Aktueller Punktestand: ~14.000. Mein Ziel sind 15000. Weil ich meiner Frau dann wenigstens für 10 Euro eine kleine Freude machen kann. Heiligabend, einmal Lächeln für 10 Euro. Man nimmt, was man kriegen kann.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht mal, warum ich das hier schreibe. Aber dieser Blog ist mein Gedankenspiegel und genau das spiegelt mich gerade wider.

Es beschäftigt mich, dass wir durch meine Erkrankung seit Jahren tief in Schulden stecken. Dass jeder Euro mindestens dreimal umgedreht wird. Dass „Shopping“ bei uns ausschließlich die nötigsten Lebensmittel bedeutet. Kleidung? Nur wenn’s endgültig auseinanderfällt. Mein letzter Neukauf eines Shirts oder so ist locker 5 Jahre her.

Aber hey, wir haben ein Dach überm Kopf und morgens eine Schnitte. Und wenn ich die Nachrichten sehe, weiß ich genau, wie verdammt gut es uns trotz allem geht, verglichen mit so vielen Menschen da draußen.

Trotzdem hat man Wünsche. Ich manchmal ’ne kleine Dose Dr Pepper. 1 Euro oder mehr für 330 ml Glück, ich liebe dieses Gesöff. Aber dann liegt da diese fucking Gurke im Wagen, die wichtiger ist. Ich sterbe nicht daran, wenn ich die Dose nicht bekomme, das erledigt früher oder später schon der unaufgefordert eingezogene Untermieter in meinem Körper.

Aber es geht mir gar nicht um mich. Ich kann gut verzichten. Immer schon. Es geht um sie. Meine bessere Hälfte, die Frau, die 50 Stunden pro Woche als Kfz-Lackiererin ackert, sich den Rücken krumm schuftet und trotzdem auf alles verzichtet. Auf Kino. Auf Essen gehen. Auf nen kleinen Harry-Potter oder Riverdale-Merch. Nur wegen mir. Nur damit wir durchkommen.

Also mache ich weiter diese Bing-Aufgaben und bezahle artig mit meinen Daten. Damit ich ihr wenigstens etwas Mini-Kleines schenken kann. Etwas, das zeigt Ich sehe dich. Ich liebe dich. Danke, dass du da bist.

Und ja, ich kann jetzt schon ihre Stimme hören, die mir sagt „Junge, das wäre doch überhaupt nicht nötig gewesen. Hol dir doch lieber was. Ich will nichts.“ Ich will das aber.

Naja, vielleicht schaue ich eines Tages auf diesen Post zurück und denke mir Bruder, war das heftig damals. Kein Plan, wie wir das überlebt haben. Aber wir haben es.

1 Kommentar

  1. Ich mag das neue Design sehr. Welche Engine und welches Theme ziehst du nun zu Rate? Grüße, Jan PS: Du kehrst zu Kommentaren zurück?

Antwort an Jan Montag Antwort abbrechen

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