Wenn du dir mehr Privatsphäre und Unabhängigkeit im digitalen Alltag wünschst, ist ein Wechsel deines E-Mail-Anbieters ein hervorragender erster Schritt.
Gerade wenn du bislang Gmail nutzt, solltest du wissen, dass Google umfangreich Metadaten auswertet. Dazu gehören Informationen wie Absender, Empfänger, Versandzeitpunkte, Geräte-IDs, Browser-Plugins, Interaktionsmuster und sogar Standorte, die helfen, dein Profil für personalisierte Werbung zu verfeinern. Diese Daten fließen in das Werbeprofil ein, selbst wenn die Inhalte der Nachrichten angeblich nicht gescannt werden.
Außerdem unterliegt Google dem US-amerikanischen Cloud Act, der in bestimmten Fällen Behörden Zugriff auf Daten erlaubt, auch wenn die Server außerhalb der USA, zum Beispiel in Deutschland, stehen.
Im folgenden Text versuche ich dir zu zeigen, wie du sicher und stressfrei von Gmail zu einem datenschutzfreundlicheren Anbieter wie Proton Mail, Tutanota, Mailbox.org oder Posteo wechselst, deine Kontakte, E-Mails und Kalenderdaten überträgst und deine Kommunikation in Zukunft deutlich privater gestaltest.
Den richtigen Mailanbieter auswählen – worauf solltest du achten?
Bevor du deine Daten umziehst, solltest du dir überlegen, wohin du eigentlich wechseln möchtest. Es gibt mehrere datenschutzfreundliche Anbieter, die sich in Funktionen, Serverstandort und Preis unterscheiden.
Proton Mail aus der Schweiz beispielsweise bietet eine vollständige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit standardmäßig 4096-Bit-PGP-Schlüsseln, speichert Daten auf Servern außerhalb der EU und hat mit dem Easy Switch Tool ein besonders komfortables Umzugswerkzeug. Für technisch Versierte ist zudem die manuelle PGP-Integration möglich, um externe Kommunikation noch sicherer zu gestalten. Wenn du eine eigene Domain nutzen möchtest, unterstützt Proton Mail dies problemlos, erfordert jedoch die Einrichtung von drei CNAME-Einträgen im DNS für DKIM, SPF und andere Authentifizierungen.
Wenn du lieber einen deutschen Anbieter möchtest, bietet sich Tuta an, das ähnlich stark verschlüsselt ist, aber ein proprietäres AES-256-basiertes Verschlüsselungsprotokoll nutzt. Tuta unterstützt derzeit keine IMAP-Schnittstelle, was die Migration erschwert.
Alternativ bieten Posteo und Mailbox.org ihren Sitz in Deutschland und setzen konsequent auf Datenschutz und Nachhaltigkeit. Sie unterstützen standardisierte Schnittstellen wie CalDAV und CardDAV für Kalender- und Kontakt-Synchronisation und ermöglichen die Nutzung eigener Domains mit korrekter Einrichtung von DKIM, SPF und DMARC.
All die genannten Dienste bieten kostenpflichtige Tarife, was es ihnen ermöglicht, auf Werbefinanzierung zu verzichten und deine Daten zu schützen, da sie nicht auf deren Auswertung angewiesen sind, um Einnahmen zu generieren. Tuta und Proton bieten zusätzlich im Funktionsumfang eingeschränkte kostenlose Tarife, die natürlich von den Bezahlern der anderen Tarife mitgetragen werden. Ich bin kein Verkäufer, aber solltest du dich für einen der beiden Dienste entscheiden, dann..;-)
Überlege dir, welche Funktionen dir wichtig sind. Wenn du zum Beispiel gerne Kalender und Kontakte direkt im Mailkonto verwalten möchtest, sind Anbieter wie Mailbox.org oder Posteo sinnvoll, weil sie standardisierte Schnittstellen wie CalDAV und CardDAV anbieten. Proton Mail und Tutanota bieten integrierte Kalender, aber diese sind technisch etwas eingeschränkter.
Deine alten Daten sichern – so verlierst du nichts Wichtiges
Bevor du dein neues Konto einrichtest, solltest du sicherstellen, dass du alle wichtigen Daten aus deinem Google-Konto exportierst. Damit meine ich vor allem deine Kontakte, Kalender und natürlich deine E-Mails.
Kontakte exportieren:
Öffne Google Kontakte und exportiere deine gesamten Kontaktinformationen. Am besten wählst du dabei das vCard-Format aus, weil dieses von den meisten Anbietern direkt unterstützt wird. Speichere diese Datei auf deinem Computer, damit du sie später wieder importieren kannst.
Kalender exportieren:
Gehe in die Einstellungen deines Google Kalenders und wähle die Option zum Exportieren. Du erhältst eine ZIP-Datei mit ICS-Dateien, die du später bei deinem neuen Anbieter oder in einer separaten Kalender-App wieder einfügen kannst.
E-Mails aufräumen:
Prüfe deine Posteingänge und Archive und lösche E-Mails, die du nicht mehr brauchst. So sparst du später Zeit und Speicherplatz, wenn du deine Nachrichten überträgst. Für Tuta-Nutzer kann das Open-Source-Tool „got-your-back“ helfen, MBOX-Dateien in EML-Dateien umzuwandeln, was den Import erleichtert.
Liste der Dienste:
Lege dir eine Liste an, in welchen Online-Diensten du deine Gmail-Adresse aktuell verwendest. Das wird dir später helfen, nichts zu vergessen, wenn du überall deine neue Adresse eintragen möchtest. Nutze dafür am besten eine einfache Textdatei oder eine Tabelle, um die Dienste systematisch abzuhaken.
Dein neues Konto einrichten – das sichere Fundament
Jetzt ist der Moment gekommen, dein neues Konto beim Anbieter deiner Wahl zu erstellen. Dabei solltest du gleich von Anfang an für Sicherheit sorgen.
Wähle ein starkes Passwort, idealerweise eine Passphrase mit mehreren zufälligen Wörtern, die du am besten in einem Passwortmanager wie KeePassXC speicherst, damit du es nicht vergisst.
Die meisten Anbieter bieten auch Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) an, aktiviere diese unbedingt direkt nach der Registrierung, um dein Konto zusätzlich abzusichern. Nutze dafür TOTP-Apps wie Aegis Authenticator und sichere deine Backup-Codes zb auf einem verschlüsselten USB-Stick.
Wenn du dich für einen Anbieter entschieden hast, der eigene Domains unterstützt, solltest du überlegen, ob du diese Funktion nutzen möchtest. Eine eigene Domain wie z. B. deinname.de macht es einfacher, später bei Bedarf erneut den Anbieter zu wechseln, weil deine Mailadresse unabhängig bleibt.
Deine E-Mails übertragen – sauberer Umzug ohne Stress
Proton Mail: Nutze das integrierte Tool Proton Easy Switch. Dieses Tool ermöglicht es dir, deine E-Mails, Ordnerstrukturen und Kontakte direkt von Gmail zu Proton Mail zu übertragen. Du meldest dich dabei einfach in deinem Proton-Account an, rufst in den Einstellungen die Easy-Switch-Funktion auf und authentifizierst dich bei Google. Der Import läuft dann automatisch im Hintergrund ab. Beachte, dass das Tool technische Limitationen hat, z. B. maximal 10.000 Nachrichten pro Tag, und dass Gmail-Labels in Proton-Ordner umgewandelt werden.
Tuta: Da keine IMAP-Schnittstelle zur Verfügung steht, ist eine direkte Übertragung deiner alten Mails dort nicht möglich. Du kannst einzelne wichtige E-Mails als EML-Dateien herunterladen oder per Weiterleitung an deine neue Tutanota-Adresse senden. Alternativ kannst du Open Source Tools wie got-your-back nutzen.
Mailbox.org und Posteo: Unterstützen IMAP, sodass du deine E-Mails mit einem Mailprogramm (z. B. Thunderbird) direkt synchronisieren und übertragen kannst.
Kontakte und Kalender importieren – alles bleibt vollständig
Sobald deine E-Mails übertragen sind, kannst du nun deine Kontakte und Kalender einpflegen.
Die meisten Anbieter bieten einfache Importfunktionen für Kontakte an. Bei Proton Mail und Tutanota kannst du deine zuvor exportierte vCard-Datei direkt hochladen.
Bei Posteo oder Mailbox.org hast du zusätzlich die Möglichkeit, Kontakte und Kalender per CardDAV und CalDAV dauerhaft zu synchronisieren, was besonders praktisch ist, wenn du diese Daten auch auf mehreren Geräten wie Smartphone und Tablet nutzen möchtest.
Diese standardisierten Schnittstellen erlauben es dir, deine Kontakte und Kalender nicht nur einmalig zu importieren, sondern dauerhaft zwischen deinem neuen Mailanbieter und den Kalender- bzw. Kontakt-Apps auf deinen Geräten zu synchronisieren. So sind deine Daten immer aktuell, egal wo du sie bearbeitest.
Überall die Adresse ändern – so bleibt alles erreichbar
Damit niemand ins Leere schreibt und du keinen wichtigen Dienst verpasst, solltest du nun überall deine neue Mailadresse eintragen.
Beginne bei besonders wichtigen Konten wie deiner Bank, deiner Krankenkasse oder deinen Versicherungen.
Da ich in dem Moment „ach die paar Dienste“ dachte und mich dann von einer dreistelligen Anzahl überraschen lassen musste, würde ich hier zu einer Liste raten und die Änderungen nach und nach abzuarbeiten. Reicht ja, dass ich den Fehler ohne für uns alle machte.
Parallel richtest du in deinem Gmail-Konto eine automatische Weiterleitung ein. Gehe dafür in Gmail zu den Einstellungen (Zahnrad-Symbol) > Alle Einstellungen aufrufen > Reiter Weiterleitung und POP/IMAP. Dort kannst du eine Weiterleitungsadresse einrichten und wählen, was mit den Originalnachrichten in Gmail geschehen soll. Um Spam und systemgenerierte Nachrichten nicht weiterzuleiten, kannst du Filter mit has:nouserlabels
einrichten.
Zusätzlich lohnt es sich, eine automatische Antwort (oft als „Abwesenheitsnotiz“ oder „Urlaubsantwort“ bezeichnet) zu aktivieren, die deine Kontakte darüber informiert, dass du ab sofort eine neue Adresse nutzt. Diese Funktion findest du ebenfalls in den Einstellungen von Gmail unter dem Reiter Allgemein, ganz unten (Bereich „Urlaubsantwort“).
Für den Übergang empfiehlt sich, in deinem Mailprogramm (z.B. Thunderbird) einen Secondary SMTP-Server mit Gmail-Zugang einzurichten, um die Kontinuität beim Senden zu gewährleisten.
Der Abschluss: Mehr Sicherheit im Alltag
Nachdem der Umzug abgeschlossen ist, solltest du dich noch einmal vergewissern, dass dein neues Konto bestmöglich abgesichert ist.
Überprüfe, ob die Zwei-Faktor-Authentifizierung aktiv ist, und aktualisiere gegebenenfalls deine Backup-Codes oder Wiederherstellungsmöglichkeiten.
Nutze Aliase oder Wegwerf-Adressen, wenn dein Anbieter diese anbietet. Ein Alias ist eine zusätzliche E-Mail-Adresse, die auf dasselbe Postfach wie deine Hauptadresse zugreift. Eine Wegwerf-Adresse ist oft eine temporäre Adresse. Beide sind nützlich, um deine primäre E-Mail-Adresse vor Spam oder unerwünschten Marketing-E-Mails zu schützen, wenn du dich zum Beispiel bei einem neuen Online-Shop oder einem Forum anmeldest.
Dein Schritt in Richtung digitale Freiheit
Der Wechsel von Gmail zu einem sicheren Mailanbieter klingt auf den ersten Blick aufwendig, ist aber mit etwas Zeit und 1 Tasse Kaffee gut zu bewältigen. Am Ende wirst du mit mehr Privatsphäre und einem besseren Gefühl belohnt. Du bist nicht mehr von einem Konzern abhängig, der deine Daten zu Geld macht – und du bist bereit für eine datenschutzfreundlichere digitale Zukunft. Peace.
2 Kommentare
Hab mich lange gewehrt zu wechseln von Gmail, weil ich mir immer eingeredet habe das würde so aufwendig werden, aber es hat wunderbar geklappt. Ich bin jetzt bei Proton. Danke dir für die selbst für mich verständliche Erklärung.
Nicht dafür. Bei eventuell weiteren Fragen bezüglich dem eventuellen Wechsel anderer Dienste, einfach 1 Mail an mich. Peace.