Piehnat

03 Dez, 2025

Wo sind all die Mixtapes hin

Ich erinnere mich gern an meinen AIWA Super Bass HS J470 Walkman und meine Mixtapes. Das Klick beim Aufnehmen war wie ein Herzschlag. Das war der Sound von Hoffnung und manchmal von Verzweiflung. Denn wenn der Radio Fritz Moderator mal wieder mitten in Biggie Smalls Juicy reinquatschte, war das nicht nur nervig, das war Krieg. Es fühlte sich wie ein persönlicher Angriff auf meine kreative Vision an.

Manchmal wartete ich tagelang auf genau diesen einen Track, und wenn er endlich kam, zitterte mein Finger über der Aufnahme-Taste in der Hoffnung, dass er komplett durchläuft und ich mir nicht plötzlich die nächste Staumeldung anhören muss. Heute erledigt ein Algorithmus alles für uns und behauptet frech, es wäre unser eigener Musikgeschmack. Spotify wüsste vermutlich sogar, wann ich emotional anfällig bin, um mir dann extra traurige Songs zu servieren. Zum Glück bin ich da seit einiger Zeit raus und wieder beim Sammeln von Musik auf CD und Vinyl und beim Digitalisieren für mein Navidrome gelandet. Zum Teil aus Nostalgie, aber hauptsächlich, weil ich wieder Herr über meine Musik sein will. Kein Algorithmus, keine Werbung, nur der Sound, der mich ausmacht.

Mixtapes waren damals Social Media nur eben ohne Kommentare, ohne DMs und ohne diesen ganzen Cringe. Statt Herzchen oder Likes gab es ein Nicken im Schulhof, ein „Boah, wo hast du den Track her?“ oder wenn man Glück hatte ein „Kann ich das ausborgen?“ Das war unser Share-Button. Wenn dir jemand ein Mixtape schenkte, war das wie eine private Nachricht, nur mit mehr Aufwand. Und wenn das Tape zurückkam, wusste man, die Person hat sich Zeit genommen. Heute schickt man einen Link und fragt sich, ob der andere ihn überhaupt anhört.

Da steckte Zeit drin, Schweiß, Liebe und manchmal auch ein bisschen Verzweiflung, weil die B-Seite unbedingt noch einen Song mehr vertragen konnte, auch wenn dafür die Hälfte vom Outro brutal abgeschnitten wurde. Wir tauschten Tapes in der Schule und taten so, als wären wir die A&R-Abteilung von Def Jam und nicht nur Kids, die heimlich Radio Fritz und Jam FM mitschnitten. Wir hatten keine Ahnung, was wir da eigentlich taten, aber es fühlte sich verdammt wichtig an.

Wer mich hier schon länger liest, weiß, dass Hip Hop für mich nicht nur eine Musikrichtung ist, sondern mein Leben, meine innere Einstellung. Mixtapes basteln war eine Entdeckungstour aus Rauschen und zufälligen Exklusives, die irgendein DJ nachts um zwei in die Welt rotzte. Die besten Tracks hatten immer schlechtere Qualität als alles, was heute rauskommt, aber sie hatten Seele und Bass, der so knarzig war, dass selbst die Batterien im Walkman kurz Angst bekamen.

Heute machen Playlists alles kaputt. Du teilst sie mit einem Klick, der andere drückt, wenn überhaupt, einmal Like, und das war es dann schon mit der emotionalen Tiefe. Verschenkte Mixtapes bedeuteten, dass sich jemand wirklich mit dir auseinandergesetzt hat und nicht nur so tat, als würde er dir deinen Lieblingssong empfehlen, weil ein Algorithmus das gerade passend findet. Vielleicht ist es albern, aber manchmal vermisse ich dieses Gefühl, wenn man einem Menschen Musik schenkt und nicht nur einen Link per Whatsapp.

Vielleicht geht es gar nicht darum, Mixtapes zurückzuholen. Vielleicht geht es darum, wieder mal auf Record zu drücken, zumindest im übertragenen Sinne. Musik wieder als das zu sehen, was sie früher war, ein Ausdruck von Persönlichkeit.

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