Warum sprechen wir bei sozialen Netzwerken eigentlich von „umzäunten Gärten“? Das suggeriert etwas Schönes, etwas Schützenswertes. Bilder von liebevoll gepflegten Blumenbeeten, geschützt vor der Außenwelt. Facebook, Instagram, X oder TikTok sollen so sein? NO WAY!
Diese Plattformen errichteten karge, trostlose Betonwüsten. Sie lockten uns hinein, versperrten die Ausgänge mit Wachtürmen und Stacheldraht und gaben vor, uns etwas Besseres zu bieten. Doch diese „Gärten“ sind keine Oasen. Sie sind Gefängnisse.
Wie das Internet einst war
Das Internet war nicht immer so. Zwischen 1995 und 2005 war es ein lebendiges Netz aus Message Boards, Blogs und persönlichen Websites. Online zu sein bedeutete, sich aktiv einen Platz im digitalen Raum zu schaffen, ihn zu gestalten und zu pflegen. Jeder konnte sich eine eigene Stimme schaffen, sein eigenes Manifest schreiben, ein digitales Zuhause bauen.
Es gab direkte Verbindungen zwischen Kreativen und ihrem Publikum. Menschen entdeckten Inhalte organisch, durch Links, Blogrolls oder RSS-Feeds. Es war eine Zeit der echten digitalen Unabhängigkeit.
Die Versprechungen der Plattformen
Dann kamen die sozialen Netzwerke mit einem verlockenden, aber vollkommen falschen Versprechen: „Einfachere Veröffentlichung“. Websites seien zu kompliziert (stimmt nicht), zu teuer (war nie der Fall) und das Publikum zu schwer zu finden (ebenfalls Unsinn). Sie erzählten uns, wir könnten unsere Blogs aufgeben und auf Facebook, Twitter oder Instagram umziehen. Statt uns selbst um Hosting und Layout zu kümmern, würden sie das für uns übernehmen.
Doch das war eine Lüge.
Ihr Ziel war nicht, uns das Leben zu erleichtern, sondern uns von ihnen abhängig zu machen. Ihre Investoren verlangten eine Rendite, und die Plattformen lieferten diese durch totale Kontrolle. Erst zwangen sie uns in ihre Netzwerke, dann setzten sie uns Algorithmen vor die Nase, die unsere Reichweite manipulierten. Sie erkannten, dass sie uns nur durch Suchtmechanismen und Dopamin-Kicks halten konnten. Also erschufen sie endlose Feeds, Likes, Follower-Zahlen und Notifications. Der Nutzer wurde zur Ware. Sein Verhalten zur Währung.
Die Zerstörung des offenen Webs
Suchmaschinen-Optimierung (SEO) machte alles schlimmer. Google begann, Plattformen gegenüber unabhängigen Websites zu bevorzugen. Mobile-first-Design führte dazu, dass Menschen lieber in Apps scrollten, statt eigenständige Webseiten zu besuchen. Algorithmische Feeds ersetzten organische Entdeckung und nahmen uns die Kontrolle darüber, was wir sehen und wer unsere Inhalte sieht.
RSS wurde nicht abgeschafft, aber systematisch verdrängt. Die direkte Verbreitung von Inhalten wurde blockiert, weil Plattformen jede Form der externen Verlinkung bestraften. Heute kannst du deine Follower nur noch erreichen, wenn du den Launen der Algorithmen folgst. Das ist keine digitale Freiheit. Es ist digitale Knechtschaft.
Der Preis unserer Bequemlichkeit
Diese Entwicklung hatte einen hohen Preis: Kreative Inhalte wurden massenkompatibel gemacht, um den Plattform-Algorithmen zu gefallen. Musiker müssen ihre Songs auf 5-Sekunden-Snippets für TikTok zuschneiden. Autoren müssen Artikel in klickfreundliche Häppchen zerlegen. YouTuber sind gezwungen, Clickbait-Titel zu verwenden und Videos in ein bestimmtes Format zu pressen.
Die Vielfalt des Internets wurde homogenisiert, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert. Wer nicht mitspielt, wird unsichtbar gemacht.
Es gibt einen Ausweg
Aber es gibt eine Alternative. Du kannst dich entscheiden, das Spiel nicht mitzuspielen. Du kannst das Internet wieder zu einem offenen Raum machen.
Erstelle eine eigene Website
Folgende Plattformen bieten Mitgliedschaften und sind selbst hostbar, sodass du volle Kontrolle über deine Inhalte hast:
WriteFreely (writefreely.org)
- Minimalistische Blogging-Plattform, federated (ActivityPub-Unterstützung).
- Kein eingebautes Membership-System, aber mit Stripe oder Patreon kombinierbar.
- Ideal für Leute, die leichtgewichtig und dezentral bloggen wollen.
Publii (getpublii.com)
- Statischer Site-Generator wie Hugo/Jekyll, aber mit GUI für einfache Bedienung.
- Unterstützt Paywalls und Mitgliederbereiche mit Drittanbieter-Integrationen.
- Gute Wahl, wenn du einen statischen Blog mit wenig Aufwand suchst.
Ghost (Self-Hosted) (ghost.org/docs)
- Falls dir Ghost gefällt, kannst du es kostenlos selbst hosten
- Eingebaute Mitgliedschaften & Newsletter ohne externe Tools.
Vermeide Plattform-Abhängigkeiten
Nutze dezentrale soziale Netzwerke wie Mastodon, PeerTube, Pixelfed oder Loops statt Twitter und YouTube.
Baue direkte Verbindungen auf
- Starte einen RSS-Feed, eine Mailingliste, einen unabhängigen Newsletter.
- Nutze soziale Medien als Werkzeuge, nicht als Heimat. Teile deine Inhalte dort, aber mache dich nicht von ihnen abhängig.
- Unterstütze unabhängige Kreative. Lies Blogs statt Medium-Artikel. Folge Musikern auf Bandcamp statt Spotify. Schau dir Videos auf PeerTube an statt auf YouTube.
Eine bessere digitale Zukunft
Persönliche Websites sind heute wichtiger denn je. Denn wir haben gesehen, was passiert, wenn eine Handvoll Unternehmen das Netz kontrolliert: Inhalte werden zensiert, manipuliert oder durch algorithmische Filter verzerrt. Die Plattformen profitieren, während Kreative ausbluten.
Wir leben in einer Zeit, in der Content nur noch auf Viralität und Massentauglichkeit getrimmt wird. Eine Zeit, in der ein paar Unternehmen bestimmen, was sichtbar ist und was nicht. Und am Ende? Bekommen wir genau das Internet, das wir verdienen.
Ein Internet, in dem Trump, Musk, Zuckerberg und Co. bestimmen, was wir konsumieren. Ein Internet, in dem Kreativität durch Klickoptimierung ersetzt wurde. Ein Internet, in dem Inhalte nicht mehr wertgeschätzt, sondern verschlungen und vergessen werden.
Ich will eine Welt, in der es wieder etwas bedeutet, etwas zu erschaffen. In der es auch mal etwas Mühe kostet, Inhalte zu finden – aber diese Mühe sich lohnt. In der Musik nicht nach TikTok-Sekunden formatiert werden muss und Artikel nicht für Algorithmen geschrieben werden, sondern für Menschen.
Ich will eine Welt, in der Elon Musk pleite ist. Und die anderen auch.
Es liegt an uns. Hören wir auf, uns mit den Ketten der Bequemlichkeit fesseln zu lassen. Reißen wir die Zäune nieder und holen uns unser Internet zurück.