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Der 5:50-Ritus
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Ich stehe jeden Morgen um 5:50 Uhr in der Küche, halb wach, halb Zombie. Drei Teelöffel Kakaopulver, zwei Teelöffel vom günstigsten löslichen Aldi-Kaffee, ein Schuss Hafermilch, kochendes Wasser drauf, fertig ist mein persönlicher Treibstoff. Seit Jahren dasselbe Ritual, keine Fragen, kein Drama. Ich kippe das Zeug in mich rein, während ich die Katze füttere und so tue, als würde es irgendwas ändern, dass ich um diese Uhrzeit schon durch die Bude schlurfe wie jemand, der vergessen hat, warum er überhaupt existiert.
Heute lief genau in diesem Moment im Radio eine Werbung für eine Hightech-Kaffeemaschine. So ein Gerät, das WLAN, Bluetooth und wahrscheinlich ein besseres Selbstwertgefühl hat als ich. Das die Bohnen einzeln abwiegt, deren Herkunft per GPS analysiert und dir ins Ohr flüstert, dass dein Kaffee dich liebt.
Ich stand da mit meinem Aldi-Instant-Kakao-Gemisch und dachte mir nur, ja klar, als ob es mir besser geht, nur weil mein Koffein durch ein 2000-Euro-Raumschiff mit Touchscreen läuft. Manche Leute brauchen halt ein Gerät, das ihnen morgens sagt, wie besonders sie sind. Kann ja nicht jeder Retro-Typ und Minimalist sein wie ich, ein Verweigerer von all dem technischen Schnickschnack. Ich prügel mir einfach weiter meine braune Plürre in den Schlund, die schreit wenigstens nicht nach Updates oder verweigert den Dienst, weil sie sich gerade lieber selbst reinigt.